Stell dir vor du würdest nicht hier in Deutschland leben… Stell dir vor du wohnst in Syrien. Du wachst an einem ganz normalen Tag auf. Du gehst ans Fenster und guckst auf eine Straße. Die Sonne scheint dir ins Gesicht. Du hörst Rufe. Rufe von Menschen, die immer lauter werden. Jetzt erkennst du, woher die Stimmen kommen, eine riesige Menschenmasse biegt um die Ecke. Plötzlich hörst du Schüsse, Soldaten schießen auf die Menschenmenge. Leute rufen nach ihren Familien. Du taumelst rückwärts. Deine Mutter kommt ins Zimmer, sie hat Tränen in den Augen und schluchzt: „Schnell nimm all deine Sachen, wir müssen hier weg!“ Du guckst dich im Raum um, was sollst du mitnehmen? Klamotten? Dein Kuscheltier? Handy? Fotos? Du schnappst dir deinen Kuschelhasen, den du schon seit deiner Geburt hast und dein Handy. Du willst noch ein Fotoalbum mitnehmen, doch da steht schon deine Mutter mit einer kleinen Reisetasche in der Hand in der Tür. Sie flüstert: „ Dein Vater ist schon los.“ Du nimmst die Hand deiner Mutter und ihr rennt aus dem Haus. Du drehst dich ein letztes Mal zu deinem Zuhause um. Auf den Straßen durch die ihr rennt liegen überall Tote und Verletzte. An der nächsten Ecke steht dein Vater. Plötzlich taucht ein schwarzgekleideter Mann hinter ihm auf. Er hat ein Gewehr in der Hand. Du schreist. Dein Vater dreht sich um und in genau diesem Moment hörst du einen Knall. Dein Vater ruft: „ Lauft!“ Doch du kannst dich nicht bewegen. Der Mann will noch mal schießen, doch jemand trifft ihn von hinten. Deine Mutter zieht dich mit zu deinem Vater. Ihr helft ihm hoch und stützt ihn, bis ihr am Treffpunkt angekommen seid. Dem Schlepper gebt ihr fast euer ganzes Geld. Ihr seid die letzten und quetscht euch in den überfüllten Lastwagen. Es ist stickig und riecht nach Schweiß. Deine Mutter versorgt deinen Vater so gut es geht, doch ihr habt kein Wasser um die Wunde zu säubern. Dein Vater kann seine Augen nur noch schlecht offen halten. Neben dir liegt ein kleines Baby, es bewegt sich nicht mehr. Du guckst schnell weg. Überall im Lastwagen sind Blutspuren und leblose Menschen. Du versuchst die Augen zu schließen und zu schlafen, doch die Bilder aus deinem Heimatland gehen dir nicht aus dem Kopf. Deine Freunde und Verwandte sind noch dort im Krieg du hast nichts für sie getan… …Du stehst im Lastwagen, alle anderen schlafen. Du drehst dich um und auf einmal sind alle Menschen weg und du stehst auf einem großen Platz in deiner Heimatstadt nicht weit weg von deinem Zuhause. Um dich herum stehen Verwandte und gute Freunde von dir. Hinter ihnen kommen schwarzgekleidete Männer, sie haben Maschinengewehre in der Hand und gehen langsam auf die Menschen, die du liebst zu.
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Du willst zu ihnen rennen und sie beschützten. Als du losrennst knallst du gegen eine riesige Glaswand. Du versuchst es nochmal und nochmal, doch du kommst da nicht durch. Du bist eingesperrt. Die Männer heben jetzt ihre Gewehre und richten die Waffen direkt auf die Köpfe der Menschen. Ein Knall und noch einer. Nacheinander werden alle erschossen. Du sinkst auf den Boden, willst Schreien doch es kommt nur ein heiseres Krächzen aus dir heraus. Tränen laufen dir die Wange herunter… Als du aufwachst spürst du immer noch wie langsam Tränen deine Wange herunter laufen. Alles ist gut, alles ist gut, es war nur ein Traum versuchst du dir einzureden. Doch nichts war gut. Jeden Moment starben Menschen. Vielleicht ja sogar deine Tante oder beste Freundin. Die Luft im Lastwagen ist jetzt so stickig das es schwierig ist zu atmen. Du schaust dich nach deinem Vater um. Er liegt da, seine Augen sind glasig. Sein Körper bewegt sich noch leicht wenn er atmet. Deine Mutter sitzt neben ihm und hält seine Hand, sie schluchzt: „Ich weiß nicht… ob er das schaffen wird.“ Plötzlich geht ein letzter Ruck durch deinen Vater, dann sinkt er endgültig zu Boden. Er ist tot. Deine Mutter schließt mit zittrigen Händen seine Augen.
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Die nächsten Stunden verlaufen sehr still. Du versuchst immer wieder zu schlafen, doch sobald du deine Augen schließt wiederholt sich dein Albtraum. Auf einmal bleibt der Lastwagen stehen. Zwei Männer öffnen die Lastwagenklappe. Luft! Endlich wieder atmen! Die Männer scheuchen dich und alle anderen, die die Fahrt überlebt haben, raus. Deine Mutter verabschiedet sich noch von deinem Vater. In der Nähe steht ein weiterer Wagen, er ist kleiner, wahrscheinlich wussten sie das nicht alle überleben werden. Die Männer treiben euch zu diesem Lastwagen. Bevor du einsteigst, atmest du noch mal tief ein. Im Wageninneren lehnst du dich gegen die Plane und schläfst das erste Mal ohne Albtraum ein. Du weißt nicht wie viel Zeit vergangen ist als du wieder aufwachst. Du bekommst kaum noch Luft. Du versuchst immer wieder einzuatmen doch der ganze Sauerstoff ist aufgebraucht. Deine Hände und Füße spürst du schon nicht mehr. Dir tanzen schwarze Punkte vor dem Gesicht, bis dir alles schwarz vor Augen wird. Du hörst leise Stimmen die immer lauter werden. Leute reden in einer dir fremden Sprache. Langsam öffnest du deine Augen und schaust dich um. Du liegst auf einem Feldbett in einer großen Turnhalle, deine Mutter sitzt schluchzend neben dir. Du bist noch zu schwach um dich aufzurichten, also schließt du sie wieder. Du träumst das ihr hier bleiben dürft, dass ihr nicht zurück müsst. Und du hoffst das es deinen Verwandten und Freunden gut geht.
Wenn du dieses Kind wärst, würdest du Hilfe erwarten oder? Jetzt kennst du die Vergangenheit des Flüchtlings und würdest ihm auch bestimmt helfen. Aber stell dir mal vor du kennst die Vergangenheit des Kindes nicht, was würdest du dann tun?
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